Amtliche Meldung

Neujahrsansprache 2025 Erster Bürgermeister Karl Gerhard

Liebe Mitbürgerinnen und Mitbürger, sehr verehrte Gäste!

Zu Beginn des Jahres 2025 widme ich mich in meiner heutigen Ansprache nur einem Thema; der Zukunft.

In Anlehnung an das Buch „Zukunft“ von der deutsch-französischen Politikwissenschaftlerin und Zukunftsforscherin Dr. Florence Gaub. Die u. a. als Direktorin den Forschungsbereich am NATO Defense College in Rom leitet.

Liebe Gäste, wir alle reisen gedanklich mehrfach täglich in die Zukunft, häufiger als in die Vergangenheit. Dank der Neurowissenschaften wissen wir, dass die Zukunft in unseren Gehirnen so real ist wie die Gegenwart. Sie ist also nicht eine Zeit, die noch kommt, sondern ein individueller, kreativer, imaginärer und sinnlicher Prozess, bei dem eine zukünftige Realität erzeugt wird. Diese Fähigkeit bildet die Grundlage für Erwartungen, Entscheidungen und den freien Willen. Daher sind wir nicht nur ein Wesen, das durch seine Fähigkeit zur Vernunft definiert ist, sondern durch seine Fähigkeit, gedanklich in die Zukunft zu reisen.

Jedoch nutzen wir diese Fähigkeit viel zu wenig. Die meisten Menschen schöpfen diese Fähigkeit nur selten voll aus. Der Mensch verbringt zwar die Hälfte seiner wachen Stunden damit, über die Zukunft nachzudenken, aber den größten Teil verschwendet er für eher banale Zukunftsthemen, denn 80 % unseres Zukunftsdenkens gelten der alltäglichen Zukunft – was wir essen, wann wir zur Arbeit gehen und wann die Prüfungen der Kinder anstehen.

Erst an weit abgeschlagener zweiter Stelle folgt mit 14 % die Zukunft des kommenden Jahres: z. Bsp. Ferien, Projekte, Arztbesuche.

Lediglich sechs Prozent unserer Zukunftsgedanken betreffen die nächsten zehn bis 15 Jahre, wie Heiraten, ein Hausbau oder Karriereziele.

Die größere und weiter entferntere Zukunft wird nur selten mental besucht, und wenn, dann fürchten wir uns schnell vor ihr und überlassen sie anderen, fast so, als gehörte sie uns nicht oder läge nicht im Bereich unserer persönlichen Verantwortung.

Dies liegt zum Teil an dem verbreiteten Irrglauben, dass diese größere, kollektive Zukunft sich grundlegend von der kleinen persönlichen Zukunft unterscheidet. Es wird allgemein gedacht, dass diese große, kollektive Zukunft vermeintlich in die Hände von Regierungen und großen Unternehmen gehört.

Dieses Denken ist aber falsch.

Alle Zukünfte sind miteinander verbunden, ja stecken ineinander wie Legosteine. Die kleine, tägliche Zukunft ist eingebettet in die persönliche Zukunft die wiederum Teil der Zukunft dieser Epoche ist, die wiederum Teil der Zukunft des ganzen Planeten ist.

Sie hängen also nicht nur voneinander ab, sondern entstehen in den Köpfen der Menschen auf ziemlich dieselbe Weise: Es werden Elemente der Vergangenheit, Informationen der Gegenwart und Vorstellungskraft zusammengemischt, um daraus etwas ganz Neues zu machen. Jeder Mensch ist daher zu allen vier – großen, also sehr langfristigen und den kleinen – Zukünften fähig, aber die meisten Menschen vernachlässigen zwei, oft sogar drei davon.

Viele Menschen sind damit nicht die Zukunftsproduzenten, die sie sein könnten, sondern nur die Konsumenten der Zukünfte anderer.

Liebe Gäste, und nicht nur wir Einzelne vernachlässigen die Zukunft, wir tun es als Gesellschaft, und zwar schon seit langer Zeit. Wir lernen in der Schule nicht, wie man mit Zukunft umgeht. Bisher sind die meisten westlichen Gesellschaften eher vergangenheits- als zukunftsorientiert, das allein macht es schon schwer. Nicht Zukunft ist Pflichtfach in der Schule, sondern Geschichte, und Latein wird mehr unterrichtet als Weltraumforschung. Auch an den Universitäten sieht es nicht viel besser aus. Auch sonst ist die Vorliebe für die Vergangenheit in unserer Gesellschaft weit verbreitet.

Ein letzter Grund, warum sich viele nur selten in die ferne Zukunft wagen, ist ein aktueller: Die Zukunft ist heute keine besonders gute. Die negativen Zukünfte kennen wir alle: Klimawandel, sich rapide verändernde Normen und Werte der Gesellschaft, drohender Krieg, Artenverlust, um nur ein paar zu nennen.

Was diese negativen Zukünfte aber vor allem gemeinsam haben, ist, dass sie oft so wahrgenommen werden, als wären sie außerhalb unserer Reichweite und würden von anderen, unkontrollierbaren Kräften gesteuert. Sobald wir das Gefühl haben, dass eine Zukunft außerhalb unseres Einflussbereiches liegt, ist sie etwas, dem wir hilflos ausgeliefert sind. Wir verfallen in eine Art Starre. Anstatt zu handeln, Entscheidungen zu treffen, uns etwas vorzustellen und die Zukunft zu beeinflussen, tun wir nichts. Wir geben die Zukunft quasi auf.

Das Gute an dieser Erkenntnis, wir können das ändern:

Der Mensch ist das Wesen, das die Fähigkeit hat, sich die Zukunft so detailliert vorzustellen, dass er sie erschaffen kann.

Das ist eine Nachricht voll Hoffnung. Denn selten war die Zukunft mit so vielen und großen Unsicherheiten behaftet wie heute. Die Autorin Florence Gaub zeigt in ihrem Buch mit Beispielen aus Neurowissenschaften, Psychologie und Philosophie, wie der Mensch die Zukunft sich vorstellt, konstruiert und real erschafft.

Denn das drohen wir momentan zu verlieren: Den Glauben daran, unser zukünftiges Leben selbst gestalten zu können.

Wir müssen unsere Zukunftsfähigkeit einfach bewusst nutzen.

Alle von uns haben die Fähigkeit, die Zukunft zu denken, das ist die Garantie. Wer darin besonders gut werden möchte, sollte vor allem seinen Geist schärfen, nie aufgeben, gerne nachdenken, Fehler tolerieren, einen gewissen Sinn für das Leben haben, verschiedene Erfahrungen sammeln, die Energie haben, sich selbst als ein kreatives Wesen begreifen, Risiken eingehen, und nicht zuletzt: Wir sollten Veränderungen als normalen Teil des Lebens begreifen.

Herzlichen Dank für die Aufmerksamkeit!

Stoßen wir gemeinsam an, auf ein glückliches Jahr 2025, dem Beginn einer Zukunft, die wir selbst mitgestalten werden.

Erster Bürgermeister

Karl Gerhard

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